Barbara Sonnenhauser, "Slavische Sprachen im arealen Kontext. Eine empirische Evaluierung der phonologischen Geographie Eurasiens"

Barbara Sonnenhauser, "Slavische Sprachen im arealen Kontext. Eine empirische Evaluierung der phonologischen Geographie Eurasiens"


11. Okt 2022

Barbara Sonnenhauser (Universität Zürich, Slavisches Seminar)

"Slavische Sprachen im arealen Kontext. Eine empirische Evaluierung der phonologischen Geographie Eurasiens"

Abstract: Die slavischen Sprachen zeichnen sich durch eine enorme Diversität aus, die durch charakteristische Entwicklungen innerhalb ihrer Familie sowie durch die vielfältigen Kontaktkonstellationen zu erklären ist, die aus der Geschichte ihrer Expansion und dem damit verbundenen Eingebundenwerden in unterschiedliche soziale, kulturelle und politische Umgebungen resultieren. Die Relevanz einer arealen Perspektivierung ist in der Slavistik spätestens seit Trubetzkoys Unterscheidung von Sprachfamilien und Sprachbünden unumstritten. Sie zeigt sich besonders deutlich in der langen Tradition der Balkanphilologie, aber auch darüber hinaus.

In den 1930er Jahren postuliert Roman Jakobson einen "Eurasischen Sprachbund", d.h. grob gesagt ein geographisches Areal am Übergang zwischen Europa und Asien, das sich durch gemeinsame sprachliche Eigenschaften von angrenzenden Zonen abhebt. Die Grundlagen der Anfänge der Phonologie aufgreifend identifiziert er diesen Sprachbund anhand zweier phonologischer Korrelationen, deren gemeinsames Vorkommen mit der geographischen Schichtung Eurasiens übereinstimmt. Dem funktionalen Grundgedanken der Prager Schule folgend war Jakobsons Arbeit für ihre Zeit hoch innovativ, u.a. mit der Verbindung von Sprache und Geographie, der Abgrenzung von ererbter Ähnlichkeit vs. Übereinstimmungen in Nachbarschaften, der Suche nach systematischen Gemeinsamkeiten hinter der Vielfalt von Sprachen in einem geographischen Raum, oder auch der Frage nach dem Beitrag von unterschiedlichen Ebenen des Sprachsystems zu diesen Gemeinsamkeiten.

Jakobsons Hypothese eines phonologisch definierten eurasischen Areals wurde noch nicht auf ihre Stichhaltigkeit überprüft; insbesondere fehlt eine breit abgestützte empirische Evaluierung, da die areale Gemeinsamkeit aufgrund lediglich zweier Eigenschaften postuliert wird. In diesem Vortrag stelle ich erste Resultate einer laufenden Untersuchung vor, die nicht hypothesengetrieben ist, sondern aus einer Vielzahl phonologisch/phonetischer Eigenschaften Gebiete erhöhter Ähnlichkeit zu identifizieren versucht, während gleichzeitig überprüft wird, ob die Ähnlichkeit auch dadurch entstanden sein könnte, dass Sprachen gemeinsame Vorfahren haben oder die Anwesenheit einer Merkmalsausprägung aufgrund ihrer globalen Verteilung auch zu erwarten wäre. Damit werden zugleich einige der zentralen methodischen Herausforderungen aufgegriffen, die prinzipiell das Identifizieren von sprachlichen Arealen kennzeichnen.

 

 

Hörsaal 1
Sensengasse 3A
Wien, 1090

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